Geben macht glücklicher als Nehmen – diesen Leitsatz kennen die meisten. Dennoch scheint es, dass viele Menschen in erster Linie auf ihr eigenes Wohlergehen bedacht sind, statt sich für andere zu interessieren. Wer das Gefühl hat, in einer Ich-bezogenen Gesellschaft zu leben, wird jedoch überrascht sein: Im Jahr 2019 spendeten die Menschen in Deutschland insgesamt stolze 5,1 Milliarden Euro an Hilfsorganisationen und Kirchen. Zudem betätigt sich knapp jeder zweite Deutsche ehrenamtlich. Doch warum verhalten sich einige Menschen hilfsbereiter als andere? Was ist prosoziales Verhalten?
Und wie wirkt sich soziales Verhalten auf unser Leben und unsere Gesundheit aus? Medipresse hat die Antworten.


Was bedeutet prosoziales Verhalten?
Prosoziales Verhalten bezeichnet Handlungen, die anderen zugutekommen und die von unserer Seite mit Aufwand verbunden sind. Dieser Aufwand betrifft zum Beispiel unsere körperlichen Ressourcen, etwa wenn wir dem Nachbarn beim Umzug helfen, oder unsere Zeit, wenn wir dem Freund nach einer Trennung beistehen. Auch materielle Ressourcen wie Geld gehören dazu. Prosozial zu handeln bedeutet zudem, sich selbst zum Nutzen anderer zurückzunehmen und keine Gegenleistung zu erwarten. Das schließt jedoch eigennützige Beweggründe nicht unbedingt aus: Wer monatliche eine Geldsumme an gemeinnützige Projekte spendet, möchte Gutes bewirken, hofft aber vielleicht auch, dadurch sein Gewissen beruhigen zu können.

Forscher fanden heraus, dass altruistisches Verhalten ein Ergebnis der menschlichen Evolution ist. Je uneigennütziger und sozialer Mitglieder einer Gruppe handelten, desto besser waren die Überlebenschancen für alle. Altruismus und Hilfsbereitschaft sind daher für das Überleben und Funktionieren der Gesellschaft entscheidend.


Wie wirkt sich Hilfsbereitschaft auf unsere psychische Gesundheit
aus?
Auch für den Einzelnen ist soziales Verhalten von großem Vorteil. So wirkt sich Hilfsbereitschaft nachweislich positiv auf unser Glück, unser Selbstwertgefühl und auf unseren Erfolg aus und fördert somit unsere psychische Gesundheit.

Geben macht glücklich
Verhalten wir uns großzügig und hilfsbereit, wird im Gehirn das Belohnungszentrum aktiviert, was bei uns ein Glücksgefühl auslöst. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, warum viele Menschen sogar Fremden helfen und zum Beispiel Geld an Wohltätigkeitsorganisationen spenden. Eine besondere Art der Hilfsbereitschaft sind Organspenden. Im Jahr 2019 erklärten sich 832 Menschen bereit, ihre Organe nach dem Tod einem unbekannten Patienten zu überlassen. Das Bemerkenswerte ist, dass durch eine solche Gabe schwerkranken Menschen ein neues Leben ermöglicht wird, die Spender selbst das Resultat ihrer Selbstlosigkeit aber nicht mehr miterleben. In der Tat reicht schon die feste Zusicherung zu helfen, um Zufriedenheit zu empfinden.

Geben steigert das Selbstwertgefühl
Studien zufolge macht Geben nicht nur glücklich, sondern steigert auch unser Selbstwertgefühl und ist demnach eine Wohltat für die Seele. Wer anderen hilft, tut sich damit selbst etwas Gutes, da sich auf diese Weise die Selbsteinschätzung verbessert. Man achtet sich selbst dafür, dass man in Übereinstimmung mit den eigenen Überzeugungen handelt. Die Erfahrung, etwas zu bewirken, steigert das Selbstvertrauen. Zusätzlich stärken Dankbarkeit und Wertschätzung, die uns der Empfänger entgegenbringt, das Selbstwertgefühl.

Hilfsbereitschaft im Beruf: Geben macht erfolgreich
Hilfsbereite Menschen sind zudem meist erfolgreicher als diejenigen, die nur an sich selbst denken. Das liegt daran, dass diese Personen durch ihre Hilfsbereitschaft Kontakte aufbauen und sich einen guten Ruf erwerben. Sozialpsychologe Adam Grant belegt dies durch eine Studie, in der er den Gewinn von Verkäufern einer Unternehmenskette in den USA miteinander verglich. Das Ergebnis war, dass Verkäufer, die sich bemühten, bestmöglich auf die Wünsche der Kunden einzugehen, deutlich mehr Umsatz machten als ihre rein profitorientierten Kollegen.


Gerne geben: Soziales Verhalten ist erlernbar
Dass einige Menschen altruistischer handeln als andere, ist einerseits auf die Gene und die Hirnaktivität zurückzuführen. Studien belegen, dass in Bezug auf das Gehirn die mittfrontale Theta-Band-Aktivität, die über ein Elektroenzephalogramm (EEG) gemessen wird, entscheidend dafür ist, wie altruistisch sich ein Mensch verhält. Je höher die Aktivität in dieser Hirnregion, desto sozialer verhält sich ein Mensch in bestimmten Situationen. Gut zu wissen ist jedoch, dass gesellschaftliche Werte und Traditionen eine weitaus größere Rolle spielen als die Biologie. Altruismus wird dadurch erlernt, dass die Gesellschaft soziales Verhalten von uns erwartet und eben dieses belohnt. Auch Traditionen beeinflussen altruistisches Verhalten. So kommt ein Großteil der jährlichen Spenden immer im Dezember zusammen, da Weihnachten für viele ein Fest des Gebens ist.


Andere Menschen unterstützen: Wie kann ich helfen
Hilfsbereitschaft muss nicht kompliziert sein und beginnt oft schon im Kleinen. Wer andere gerne unterstützen möchte oder es sich für die Zukunft vorgenommen hat, hat viele Möglichkeiten:

Hilfe im sozialen Umfeld
Wer nicht genau weiß, wo er anfangen soll, kann sich zunächst in seinem eigenen Umfeld umsehen. Im Gespräch mit Freunden und Familienangehörigen können wir erfragen, ob sie in einer Angelegenheit unsere Hilfe benötigen. Wichtig ist hierbei, die Hilfe anzubieten, sie dem anderen aber nicht aufzuzwängen. Wenn wir alleine nicht dazu in der Lage sind, dem Betroffenen  zu helfen, können wir überlegen, wer uns vielleicht bei der Bewältigung des Problems unterstützen könnte. Unser Gegenüber wird uns große Wertschätzung entgegenbringen. So können wir unsere Beziehungen festigen und werden zudem selbst Hilfe erhalten, sollten wir sie brauchen.

Verständnisvoll zuhören
Eine sehr einfache und zugleich wirksame Art, anderen Gutes zu tun, ist das Zuhören. Möchte sich eine Person etwas von der Seele reden, sollten wir ihr unsere volle Aufmerksamkeit widmen. Wichtig ist, das Gehörte anzunehmen und nicht darüber zu urteilen. Stattdessen sollten wir versuchen, die Gefühle unseres Gegenübers nachzuempfinden, sodass unser Gesprächspartner sich verstanden fühlt.

Freude verschenken im Alltag
Ein freundliches Lächeln und ein netter Gruß können ebenfalls viel bewirken. Nicht nur Bekannte sondern auch fremde Menschen können wir mit kleinen sympathischen Gesten erfreuen.

Ehrenamtliches Engagement
In vielen gesellschaftlichen Bereichen wird dringend Hilfe benötigt. So können wir unsere Unterstützung zum Beispiel in Flüchtlings- oder Obdachlosenheimen anbieten oder finanziell benachteiligten Kindern Nachhilfe geben. Auch in Altenheimen können wir den Menschen beispielsweise durch Vorlesen etwas Gutes tun und bekommen dabei vielleicht selbst die ein oder andere interessante Geschichte zu hören.

Spenden und Verschenken
Viele Menschen besitzen mehr, als sie eigentlich benötigen. Wer benachteiligte Menschen unterstützen möchte, kann zum Beispiel gut erhaltende Kleidung, die nicht mehr getragen wird, Kleiderkammern zukommen lassen. Auch mit Büchern oder alten Spielsachen können wir anderen Menschen und vor allem Kindern eine Freude machen.

An andere denken
Menschen, die alleine wohnen und keinen guten Kontakt zur Familie haben fühlen sich oft einsam. Mit einem Anruf oder einem Besuch können wir zeigen, dass wir an sie denken. So fühlen sie sich weniger allein. Wohnt die Person nicht weit von uns, können wir sie zum Beispiel auch mit einem selbstgebackenen Kuchen überraschen.

Kenntnisse und Erfahrungen teilen
Jeder Mensch verfügt in bestimmten Bereichen über Kenntnisse und Know-How, die andere vielleicht auch gerne hätten. Wir sollten uns daher einmal darüber klar werden, was wir besonders gut können. Hilfreich kann es sein, vertraute Menschen und Freunde zu fragen, welche Fähigkeiten sie besonders an uns schätzen. Das gibt uns Auskunft darüber, wie wir unsere Kenntnisse am besten mit anderen teilen können.


Auch mal ‚Nein‘ sagen
So erfüllend es auch sein kann zu geben, sollten wir dabei auf ein gesundes Gleichgewicht achten. Leider gibt es immer wieder Menschen, die andere nur für ihre Zwecke benutzen und weder Dankbarkeit noch Anerkennung zeigen. Von solchen Menschen sollten wir Abstand nehmen, da ein solches Ungleichgewicht äußerst negative Folgen haben kann. Insbesondere in einer Beziehung gilt: Wer sich immer nur für den Partner aufopfert und dabei die eigenen Bedürfnisse hintenanstellt, wird auf Dauer immer unzufriedener. Zudem schadet ein solches Verhalten unserem Selbstwertgefühl. Um unsere Gesundheit zu schützen, sollten wir unseren eigenen Bedürfnissen daher ausreichend Beachtung schenken. Wichtig ist, seine Grenzen zu kennen und sich auch mal Zeit nur für sich alleine zu nehmen. Denn nur wer sich selbst ab und zu Gutes tut, kann auch gut für andere sorgen.